Janna Hoppmann über die Kraft der Psychologie in der Klimakrise

Die Klimapsychologie ist in der Praxis noch recht neu – zumindest im deutschsprachigen Raum. Janna Hoppmann und ihr Team haben es sich zur Aufgabe gemacht, theoretische Forschungserkenntnisse in die Praxis zu übersetzen. Dadurch vermitteln sie Transformationsfähigkeiten, die Menschen im Engagement gegen die Klimakrise unterstützen. Wie dies besonders junge Menschen im Kampf gegen den Klimawandel nutzen können, erklärt uns Janna im Interview.

Clima Now   •   22.02.2023

Warum braucht es Klimapsychologie?

Die Klimakrise ist das Resultat kumulierten Verhaltens vieler Menschen. Wir haben die Krise verursacht und dementsprechend müssen wir sie jetzt gemeinsam lösen als Menschheit. Psychologie trägt dazu bei, besser zu verstehen, wie wir das tun können. Sie kann Fragen danach beantworten, was Menschen vom Handeln abgehalten hat und noch immer abhält. Sie kann zudem ein wichtiger Hebel sein, um Menschen zu motivieren.

Wie kann die Klimapsychologie Menschen im Kampf gegen die Klimakrise unterstützen?

Zur Bekämpfung der Krise braucht es viele Kompetenzen. Es braucht authentisches Handeln, Empathie und Mitgefühl, besonders mit denen, die am stärksten von der Krise betroffen sind und sein werden. Gleichzeitig braucht es auch kritisches, kreatives Denken und Mut, um soziale Konventionen zu brechen und ins Machen zu kommen. Dabei unterstützen wir. Denn die Psychologie kann wahrscheinlich am besten von allen Disziplinen die Menschen verstehen und weiterhelfen, wenn sie etwas ändern möchten.

Was steht bei Ihrer Arbeit im Mittelpunkt?

Gesellschaftliche Veränderung. Wir sprechen da vom Handabdruck, nicht nur vom ökologischen Fussabdruck: Es geht uns um die strukturellen und gesellschaftlichen Möglichkeiten zur Veränderung. Unser Engagement als Gesellschaft steht im Mittelpunkt, und nicht wo wir im privaten Leben ein paar Emissionen einsparen können. Wir glauben, dass es ganz wichtig ist, die grossen Hebel in Gang zu setzen. Dafür bilden wir Transformationskompetenzen aus – bei Führungspersönlichkeiten in Unternehmen, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft.

Wie bringt man diese Tranformationskompetenzen an das Publikum?

Die Forschungsergebnisse der Klimapsychologie können uns dabei helfen, effektiver zu handeln. Daher möchten wir sie in die Praxis übersetzen. Um dies zu tun, haben wir unterschiedliche Formate entwickelt. Zunächst in Form von Live-Trainings und Workshops in Kleingruppen. Das können Kommunikationstrainings sein oder Kurse, die helfen Motivationen und Handlungsblockaden anderer zu verstehen, um besser in Kontakt zu kommen. Zudem bieten wir Online-Selbstlernkurse an, in denen die Teilnehmer*innen flexibel und selbstständig diese Kompetenzen üben. Dass die Erkenntnisse auch in die Praxis umgesetzt werden können, hat dabei immer höchste Priorität.

Junge Menschen werden am stärksten von der Klimakrise betroffen sein. Wie wird es für sie einfacher mit Klimaängsten umzugehen?

Ich spreche lieber von Sorge als von Klimaangst. Beim Begriff „Ängste“ schwingt häufig eine gewisse Pathologisierung mit. Zudem weisen Ängste nicht immer auf reale Bedrohungen hin. Bei Ängsten ist es manchmal so, dass wir uns etwas grösser ausmalen, als es in Wirklichkeit ist. Doch die Klimakrise ist eine real existierende Bedrohung und diese sollten wir alle ernst nehmen. Sorgen zu haben ist daher verständlich und nötig. Es ist etwas Gesundes und Hilfreiches, dass wir uns Gedanken machen über unsere Zukunft und ihre Risiken.

Wie kann man also mit diesen real existierenden Sorgen besser umgehen, besonders als junge Person?

  1. Der erste wichtige Schritt ist diese Art von Gefühl anzunehmen und anzuerkennen. Denn, wenn wir wollen, dass unsere Gefühle weggehen und wir versuchen sie wegzuschieben, dann werden sie in der Regel grösser – sie kommen von alleine zurück und nehmen dann noch mehr Platz ein. Es ist wichtig, sich mit diesen Sorgen auseinander zu setzen und ihnen auf den Grund zu gehen. Zu fragen: Wo kommt es her? Seit wann fühle ich das? Wie gehe ich aktuell damit um?
  2. Ein grosses Thema ist der Austausch mit Gleichgesinnten. Wie fühle ich mich gerade in der Klimakrise, über welche konkreten Themen mache ich mir gerade Sorgen? Diese Sorgen können durch den Austausch konkret werden – um sie dann konkret zusammen angehen zu können.
  3. Ein weiterer Ansatzpunkt mit Sorgen umzugehen, ist tatsächlich auch selbstfürsorglich zu sein und sich selbst etwas Gutes zu tun. Wenn man merkt, die Sorgen werden ganz schön gross, kann man sich auch mal ein bisschen Auszeit vom Engagement nehmen, um schönen und fröhlichen Dingen und Aktivitäten wieder mehr Raum zu geben.
  4. Das wichtigste und hilfreichste Gegenmittel langfristig gegen die Sorgen ist es aktiv zu werden. Besonders mit anderen zusammen, weil es dann in der Regel mehr Spass macht und man schneller Erfolgserlebnisse sieht und strukturelle Handabdruck-Hebel angehen kann.

Wenn man als junger Mensch aktiv werden möchte – wo fängt man am besten an?

Es gibt unzählige Möglichkeiten aktiv zu werden. Da lohnt es sich zunächst zu schauen, was macht mir eigentlich Spass. Vielleicht male ich gerne und dann gehe ich zu Kunstaktionen in der Klimabewegung. Oder ich bin sehr begabt darin, Reden zu halten und zu argumentieren, dann kann ich mich in einem Verein engagieren und das dort einsetzen. Wir sollten uns fragen: Was bringe ich mit, was macht mir Spass, was will ich vielleicht auch lernen oder ausbauen? Dafür ist gesellschaftliches Engagement unglaublich wertvoll – um über sich hinaus zu wachsen und neue Dinge als Persönlichkeit zu erfahren.

Und dann, als zweiten Tipp: im eigenen Umfeld anfangen. Vielleicht mache ich eine Ausbildung und schaue: Wie sind die Emissionen in meinem Arbeitsplatz? Kann ich mit meiner Chefin oder meinem Chef darüber sprechen, dass man vielleicht eine Nachhaltigkeitsinitiative in Gang bringt? Oder ich mache mir als junge Person aktiv Gedanken darüber, wo soll eigentlich mein Leben hingehen, womit möchte ich beruflich meine Zeit verbringen. Wo sollen die 80.000 Stunden meines Lebens, die wir im Durchschnitt im Leben mit Arbeit verbringen, einfliessen? Den Beruf bewusst auszuwählen ist ein unglaublich grosser Hebel.

Also kurzgefasst: Am besten stellt man Verknüpfungen her. Zwischen dem Klima und einerseits den eigenen persönlichen Stärken und Interessen sowie andererseits dem eigenen persönlichen Umfeld. Dann wird es besonders leicht, zu starten.

Wenn ich eine Idee habe für ein Projekt oder ein Start-Up und damit gegen den Klimawandel angehen möchte – wie überzeuge ich jetzt andere am besten mitzumachen?

Der erste wichtige Punkt ist es zu verstehen, dass wir nie wirklich andere Menschen von aussen überzeugen können. Sondern, dass die Überzeugung etwas ist, was bei der anderen Person passiert, wir können da maximal Anstösse liefern. Um andere zu inspirieren, wie ich es lieber nenne, können wir am besten damit starten, dass wir unsere eigene Geschichte erzählen, von unserer eigenen Vision einer guten Welt. Und dann erklären wir, inwiefern unsere Idee oder unser Projekt dazu beitragen kann. Also unsere Mission: Das Wie, mit dem wir die Vision erreichen wollen. Und wenn das grössere Ziel, die Richtung und auch der Weg etwas ist, was bei der anderen Person auf Anklang stößt und sie das spannend findet, wird die Person sicherlich mitmachen. Insbesondere, wenn ich sie miteinbeziehe: Wie kann ich die Wünsche, Stärken, Leidenschaften und Vorstellungen der anderen Person integrieren in die Idee? Das muss gar kein unangenehmer Kompromiss sein, es kann eine Win-Win Situation werden, weil die eigene Idee befruchtet und noch besser wird.

Was wäre Ihre Botschaft an die Clima Now Community?

Seid mutig! Wenn ihr etwas im Hinterkopf habt und schon immer mal machen wolltet, weil es euren Überzeugungen entspricht: Legt alle Wenn‘s und Aber‘s zur Seite und wagt euch ran. Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht mehr warten können, bis wir uns irgendwann trauen. Genau jetzt ist die Zeit gekommen, wir müssen es einfach machen. Und besonders jungen Menschen traue ich es zu, diesen Mut zu nutzen. Mut ist ein Muskel, den wir trainieren können. Lasst uns gemeinsam unsere Mut-Muskel trainieren und unsere Ideen in die Welt bringen! Und lasst uns dann nicht vergessen, unseren Mut und unsere Erfolge zu feiern, um wieder genug Energie zu tanken für die nächste Etappe.

ClimateMind

limateMind ist ein von Janna Hoppmann gegründetes Weiterbildungs- und Beratungszentrum zu Klimapsychologie und Klimakommunikation für Unternehmen, NGOs und den öffentlichen Sektor. Seit Februar 2021 ist ClimateMind das erste Sozialunternehmen zu Psychologie im Klimaschutz im deutschsprachigen Raum.

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